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Ein Bild aus dem Jahr 2015 am ersten Jahrestag der tödlichen Auseinandersetzungen auf dem Maidan in Kiew.

Foto: EPA/ROMAN PILIPEY

Es wird vieles besser in der Ukraine, zumindest der Einschätzung von Geoffrey Pyatt zufolge. Pyatt war seit 2013 US-Botschafter in der Ukraine und wird im Laufe des Sommers seinen Dienstort nach Athen verlegen. Er hält die Sanktionen gegen Russland für erfolgreich, den Kampf gegen Korruption gilt es weiterzuführen.

STANDARD: Sie sind bekannt als Kritiker der grassierenden Korruption in der Ukraine. Nun gibt es seit diesem Frühjahr einen neuen Generalstaatsanwalt, Jurij Luzenko. Hat sich seit seinem Amtsantritt auch inhaltlich etwas verändert?

Pyatt: Es gibt neue Institutionen wie das Nationale Antikorruptionsbüro und auch einen Antikorruptionsstaatsanwalt. Der neue Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko hat eine sehr gute Verbindung zu uns. Ein ehemaliger Staatsanwalt aus dem US-Justizministerium arbeitet als sein Berater, darum hat uns Präsident Petro Poroschenko gebeten. Es gibt auch EU-Beamte, die im Büro von Luzenko arbeiten. Die ukrainische Zivilgesellschaft kämpft aktiver gegen Korruption als jemals zuvor. Was aber noch passieren muss, ist, dass Leute ins Gefängnis gehen, dass jemand zur Verantwortung gezogen wird. Es gab am Mittwoch einen großen Schritt vorwärts, als der neue Generalstaatsanwalt mit einer Anklageschrift ein Verfahren gegen den Parlamentarier Oleksandr Onischtschenko eingeleitet hat. Die Immunität Onischtschenkos ist zuvor aufgehoben worden – er steht unter Korruptionsverdacht. Die Haltung gegenüber Korruption hat sich verändert, gelöst ist das Problem aber noch nicht.

STANDARD: Die ukrainische Politik ist in vielen Bereichen noch immer ein stark oligarchisch geprägtes System. Kann sich das in nur wenigen Jahren ändern?

Pyatt: Die Oligarchen sind mittlerweile weniger stark. Wir hatten dieses Problem auch in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts mit beispielsweise Rockefeller und Carnegie, aber wir haben diese Problem in den Griff bekommen. Die Ukraine startet diesen Prozess gerade – und der wird Zeit brauchen. Aber die ukrainische Gesellschaft nimmt Dinge nicht mehr unhinterfragt hin, und die Medien sind viel aktiver geworden. Natürlich sind viele Medien noch im Eigentum von großen Unternehmen, aber es gibt mittlerweile Alternativen.

STANDARD: Erwarten Sie sich auch Zusammenarbeit mit Banken außerhalb der Ukraine, wenn es um die Bekämpfung der Korruption geht?

Pyatt: Ein Beispiel: Kurz nach dem Zusammenbruch der Janukowitsch-Regierung gab es den Fall, dass ein ehemaliger Umweltminister hohe Summen Schwarzgeld in den USA und in London geparkt hatte. Die Zusammenarbeit mit den Finanzinstituten hat funktioniert. Was damals nicht klappte, war die Vorgehensweise bei der Generalstaatsanwaltschaft. Leute wurden bestochen, Dokumente sind verschwunden. Es wurde keine Anklage erhoben, das Geld wurde ausbezahlt. Deshalb müssen die Ukrainer ihre Institutionen stärken, dann funktioniert auch die Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstituten.

STANDARD: Der Konflikt im Osten der Ukraine ist mittlerweile als "eingefrorener Konflikt" zu bezeichnen?

Pyatt: Das ist kein "eingefrorener Konflikt", wenn an einem Tag zwei Personen getötet werden und am nächsten Tag drei. Im Gegenteil: Die Sicherheitssituation verschlimmert sich.

STANDARD: Auf dem Papier besteht immer noch ein Waffenstillstand.

Pyatt: Allerdings wird der nicht respektiert. Es gibt immer noch Zugangsprobleme für die OSZE-Beobachter. 90 Prozent dieser Zugangsverweigerung geschieht auf von Russland kontrolliertem Territorium. Drei unbemannte Luftfahrzeuge sind vor kurzem abgeschossen worden. In zwei Fällen haben wir Bilder, die beweisen, dass Waffen russischen Ursprungs benutzt wurden, um die Luftfahrzeuge abzuschießen. Ziel ist weiterhin, ukrainische Kontrolle über das Hoheitsgebiet des gesamten Staates wiederherzustellen. Russland ist noch weit davon entfernt, die Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen umzusetzen.

STANDARD: Wie soll Russland dazu gebracht werden, das Minsker Abkommen umzusetzen?

Pyatt: Wir dürfen dem Argument nicht nachgeben, dass die Sanktionen nicht funktionieren würden und wir sie deswegen aufheben sollten. Im Gegenteil: Wenn Sanktionen nicht funktionieren, sollten sie verstärkt werden.

STANDARD: In manchen EU-Ländern wie Deutschland oder Österreich gibt es Stimmen, die eine Lockerung der Sanktionen fordern.

Pyatt: Sanktionen können nur effektiv sein – und das waren sie –, wenn wir geeint bleiben. Wir müssen die Debatte wieder darüber führen, warum diese Sanktionen implementiert wurden. Sie wurden wegen der schlimmsten Verletzung europäischer Sicherheitsprinzipien nach dem Ende des Kalten Krieges beschlossen. Dieses Prinzip lautet: Man kann internationale Grenzen nicht durch Gewalt ändern.

STANDARD: Ist nicht genau das auf der Krim passiert?

Pyatt: Die Krim-Sanktionen werden so lange aufrechterhalten, so lange die Krim von Russland besetzt ist.

STANDARD: Sind die regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Militärübungen von den USA und der Ukraine in der Grenzregion sinnvoll, um den Konflikt zu lösen?

Pyatt: Derzeit gibt es eine Marineübung im Schwarzen Meer, an der insgesamt 13 Länder teilnehmen – Nato-Mitglieder und Partnerstaaten. Solche Übungen gibt es ungefähr seit dem Beginn der Unabhängigkeit der Ukraine. Die Annahme, dass Russland nun auf einmal sensibel auf etwas reagiert, ist unlogisch. Diese Übungen finden auf Einladung der ukrainischen Regierung statt, alle Teilnehmer sind da, weil die Ukraine sie eingeladen hat – im Kontrast zu den russischen Militärs im Donbass.

STANDARD: Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat mehrmals betont, dass er mit Putin gut auskommen würde. Kürzlich hat er auch angedeutet, er würde die russische Annexion der Krim anerkennen. Was denken Sie darüber?

Pyatt: Mir sind Äußerungen zur US-Innenpolitik rechtlich untersagt. (Michaela Kampl, 31.7.2016)